Koordination:
L. Kronberger, Graz
G. R. Jatzko, St. Veit/Glan
Unter Mitarbeit von:
R. Margreiter, Innsbruck
A. Reiner, Wien
M. G. Smola, Graz
H. W. Waclawiczek, Salzburg
G. Zimmermann, Feldkirch
Problemstellung
Die Prognose beim kolorektalen Karzinom bezüglich des rezidivfreien Intervalls, der Gesamtüberlebenszeit sowie der Lebensqualität des betroffenen Patienten ist von drei Faktorengruppen – tumorspezifischen, therapieassoziierten und patientenabhängigen – bestimmt. DIe Sorgfalt des Operateurs und die Radikalität des operativen Vorgehens zählen zu den wichtigsten Faktoren. Der Nutzen additiver Therapiemaßnahmen ist wahrscheinlich und Gegenstand klinischer Studien. Diese Faktoren ermöglichen, bei entsprechender Analyse und Beachtung, den Krankheitsverlauf exakter vorauszusagen und erlauben durch Definition unterschiedlicher Subgruppen die individuelle Therapieplanung, die zu einer Prognoseverbesserung führen kann. Nachdem die Pathomorphologie weitgehend definiert ist, sind Gebiete der Biochemie, Molekularbiologie und Proliferationskinese Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen.
Neben den Komplikationsraten, den Morbiditätsraten und Letalitätsraten sind die 5-Jahres-Überlebensrate und die Lokalrezidivrate ein echter Maßstab, an dem eine chirurgische Krebstherapie gemessen werden muß.
Die TNM-Klassifikation nach der UICC (siehe Tabelle „Pathologie“) gibt das Erkrankungsstadium zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bzw. operativen Therapie wider. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß gerade die Verwendung der klinischen TNM-Klassifikation (cTNM) unter Einbeziehung des Postfixes C (Certainity= Sicherheit) noch immer nicht Allgemeingut ist. Ein definitives Staging ist erst nach der endgültigen pathohistologischen Aufarbeitung des Operationspräparates möglich (pTNM). Es wird die Tumorinfiltrationstiefe (pT), der Lymphknotenbefall (pN) und eine mögliche Metastasierung (M) erfaßt. Die UICC R-Klassifikation (Tabelle Pathologie) erfaßt mögliches Residualtumorgewebe nach dem definitiven chirurgischen Eingriff. Die Tumordifferenzierung, ausgedrückt im histologischen Grading sowie im histologischen Tumortyp, hat keinen direkten Einfluß auf die Überlebensrate, korreliert jedoch mit einem höheren Ausbreitungsstadium und beeinflußt so die Prognose. Die wichtigsten unabhängigen pathologischen Faktoren in Bezug auf die Prognose nach potentiell kurativer Operation sind das Tumorstadium und die R-Klassifikation der UICC. Während das Tumorstadium und das Grading vorgegebene, nicht beeinflußbare Faktoren sind, unterliegt die R0-Resektionsrate der Radikalität des Eingriffs und damit dem prognostischen Einfluß des Chirurgen.
Andere prognostisch unabhängige Faktoren in einzelnen multivariaten Analysen sind der makroskopische und histologische Tumortyp, eine Lymphgefäß-(L0-2) und Gefäßinvasion (V0-2), die Ploidieverteilung, die Gefäßneubildung an der Invasionsfront, eine lymphatische Infiltration, der Desmoplasiestatus, präoperativ erhöhte Tumormarker, die Gabe von Fremdblut, tumorbiologische Merkmale wie die Expression verschiedener Onkogene (c-MYC, Ha-RAS, Ki-RAS, MDR1 Kathepsin B, Loss of p53 und nm 23-H1). Alle diese prognostischen Faktoren, ebenso wie Wachstumsfaktoren (TGF-a und EGF), Wachstumsgeschwindigkeit, ausgedrückt durch die Mitoserate (S-Phase-Zellfraktion, Fluß-Zytometrie oder Thymidin-Labelling-index) sind Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen mit teilweise widersprüchlichen Ergebnissen.
Derzeit können einzelne Zentren für unterschiedliche Tumorstadien auf Grund standardisierter radikaler Operationsverfahren und auf Grund einer auf ebenso hohem Niveau stehender pathohistologischer Aufarbeitung relativ verbindliche Prognosevorhersagen abgeben. Ein Prognosescore (PI), basierend auf Tumorstaging, R-Klassifikation, Grading und weiteren klinischen, patientenabhängigen und tumorbiologischen Faktoren, welcher Patienten mit besonders hohem Rezidivrisiko ermitteln könnte, ist derzeit noch klinisches Wunschdenken.
Patienten mit erhöhtem Risiko (Stadium IIa und IIb, Stadium III nach UICC) werden heute, meist innerhalb klinischer Studien, adjuvant therapiert. Eine Prognoseverbesserung ist basierend auf derzeit vorliegenden Studienergebnissen wahrscheinlich.Die Prognose des Kolonkarzinoms im allgemeinen ist besser als jene des Rektumkarzinoms. Beim Rektumkarzinom liegt dies an der anatomisch eingeschränkten Radikalität, bedingt durch das konisch zusammenlaufende paraproktische Fettgewebe und dem dadurch nach aboral sich verschmälernden lateralen Resektionsrand.
Langzeitprognose
Nach kurativer Resektion (pR0) betragen die 5-Jahresüberlebensraten beim Kolonkarzinom 70-80%, beim Rektumkarzinom 60-70%. Je nach Tumorstadium (pT1-3) sind für R0 Resektionen 5-Jahresüberlebensraten von 90, 80, 60% (Kolon) bzw. 90, 70, 40% (Rektum) zu erwarten.
Lokoregionäres Rezidiv
(klinisch: rcTx, pathohistologisch: rpTx)
Mit einem lokoregionären Rezidiv ist nach radikaler Resektion eines Kolonkarzinoms in weniger als 5%, beim Rektumkarzinom zwischen 15 und 20% zu rechnen.
Ein echtes lokoregionäres Rezidiv ist nach radikaler Operation eines Kolonkarzinoms nur in Ausnahmefällen kurativ operabel. Beim Lokalrezidiv eines Rektumkarzinoms liegen die kurativen Resektionsraten (rpR0) zwischen 20% und 30% und die damit verbundenen Fünf-Jahresüberlebensraten in etwa gleicher Höhe.
UICC: pR-Klassifikation (Definition in Hinblick auf die Tumorfreiheit) | |
R0 | Kein Residualtumor |
R1 | Mikroskopischer Tumorrest |
R2 | Makroskopischer Tumorrest |
Postoperative Letalität
Nach eingeschränkten chirurgischen Verfahren ist nur ganz ausnahmsweise mit postoperativen Todesfällen zu rechnen. Nach radikaler Resektion (pR0) beträgt die postoperative Letalität für Elektiveingriffe bei
Kolonkarzinomen < 3%,
Rektumkarzinomen < 5% und
Notfalleingriffen bis 20%.
UICC-pTNM-Klassifikation und UICC-Stadien | ||||
Infiltrationstiefe | TNM | UICC | Dukes | Astler-Coller modifiziert nach Gunderson und Sosin |
Carcinoma in situ | Tis N0M0 |
0 | – | – |
Submucosa | T1 N0M0 |
I A | A | A |
Infiltration der Muscularis propria bis Subserosa | T2 N0M0 |
I B | A | B1 # |
Tumor mit Ausdehnung aufunmittelbar angrenzendeStrukturen, optional a-d (<1mm,1-5mm,5-15mm,>15mm) | T3 NOMO |
II A | B | B2 $ § |
Tumor mit Infiltration angrenzender Organe und Gewebe Tumor mit Infiltration der Serosa | T4 a
T4 b |
II B | B | |
Jedes T, Befall von 1-3 perikolischen, perirektalen Lymphknoten | N1 | IIIA | C | C1 # (T2N1) C2$§ (T2N1) |
Jedes T, Befall von 4 oder mehr perirektalen, perikolischen Lymphknoten | N2 | III B | C | C2 § |
Jedes T, Befall von Lymphknoten entlang größerer Gefäßstämme | N3 | III C | C | |
Jedes T, N4, M0 (juxtaregionaler Lymphknotenbefall) | N4 | IV | D* | |
Jedes T, jedes N, M 1 | IV | D* | ||
Vorhandensein von Fernmetastasen nicht beurteilbar | MX | |||
Keine Fernmetastasen | M0 | |||
Fernmetastasen | M1 | |||
* Dukes D in der Originalversion (Dukes 1932) nicht vorhanden; + Astler-Coller modifiziert nach Gunderson und Sosin: |
# | T durch die Mukosa invadiert, jedoch auf die Darmwand beschränkt |
§ | T gesamte Darmwand inklusive Serosa, soweit vorhanden |
$ | Als Suffixe werden bezüglich der Darmwandinfiltration verwendet: nur mikroskopischer Nachweis (m), makroskopisch und histopathologisch (m+g), Adhäsion und Infiltration benachbarter Organe und Gewebe (B3+C3; TNM system = T4) |