Consensus-Bericht Magenkarzinom

10. Palliative Therapiemöglichkeiten beim Magenkarzinom

Koordination:
R. Pointner, Zell am See

Unter Mitarbeit von:
G. Jatzko, St. Veit/Glan,
H.R. Rosen,Wien,
G.P. Schwab, Innsbruck,
R. Schiessel, Wien

Problemstellung

Die radikale chirurgische Behandlung mit dem Ziel einer R0-Resektion bei Patienten mit Magenkarzinom steht nach wie vor im Zentrum des Therapieplans. Bei etwa 30% an Magenkarzinom erkrankten Patienten ist eine R0 Resektion wegen lokaler Irresektabilität, Fernmetastasen bzw. Peritonealkarzinose, nicht möglich. Da Palliativeingriffe mit einer deutlich höheren Morbidität und Mortalität behaftet sind als vergleichbare kurative Eingriffe, ist zur Therapieplanung ein exaktes präoperatives Staging unumgänglich. Sinnhaftigkeit und Risiko des geplanten chirurgischen Eingriffs müssen für den Patienten in Bezug auf die zu erwartende Lebensqualität abschätzbar sein.

Ziel

Die palliativen Therapiemöglichkeiten beim Magenkarzinom haben mit einer Ausnahme ausschließlich das Ziel, die Lebensqualität des Patienten entscheidend zu verbessern. Dazu gehört relative Schmerzfreiheit, die möglichst unbehinderte Nahrungsaufnahme sowie das Vermeiden von Regurgitieren, Erbrechen und Blutverlust. In den wenigen Fällen der ausschließlich lokalen chirurgischen Irresektabilität ist das angestrebte Ziel, mittels präoperativer Chemotherapie eine Tumorreduktion zu erreichen, damit eine R0-Resektion durchgeführt werden kann.

Entsprechend der UICC Klassifikation 1987 stellt jede Art chirurgischen Vorgehens, dessen Folge nicht die komplette Entfernung eines Tumors mit den entsprechenden regionalen Lymphknoten zur Folge hat, einen Palliativeingriff dar. Die Art des Palliativeingriffs wird nach UICC mit R1 (mikroskopischer Tumorrest) bzw. R2 (makroskopischer Tumorrest) bezeichnet.

Die wenigen Arbeiten, die sich mit der Palliativtherapie beim Magenkarzinom auseinandersetzen, weisen uni sono darauf hin, daß die bestmögliche Therapieform die weitestgehende Entfernung des Primärtumors zum Ziel haben muß.

Das Spektrum der diagnostischen Möglichkeiten erlaubt heute eine weitestgehende präoperative Sicherung hinsichtlich der Fragestellung, ob ein Tumor in kurativer oder palliativer Intention behandelt wird. Zur Klärung dieser Frage kann neben der Endoskopie mit Biopsie, dem endoluminalen Ultraschall, der Ultraschalluntersuchung und Computertomographie vor allem die diagnostische Laparoskopie in den Tumorstadien T3, T4 mit intraperitonealer Lavage sowie der Inspektion der Bursa omentalis und der Biopsie von Lymphknoten am Truncus coeliacus in Erwägung gezogen werden.

Wird aufgrund des Ultraschalls, des endoluminalen Schalls sowie der diagnostischen Laparoskopie oder im Rahmen der Laparotomie die primäre chirurgische Irresektabilität festgestellt, ergeben sich drei Möglichkeiten:

Oesophagus / Cardia-Endoprothese in situ

  1. Die präoperative Chemotherapie mit im Anschluß daran geplanter und versuchter R0-Resektion.
  2. Die palliative Tumorreduktion mit dem Ziel, die Lebensqualität des Patienten entscheidend zu verbessern.
  3. Die Therapie der Tumorkomplikation mit ihrem einzigen Ziel, die Lebensqualität zu verbessern.

ad 1) Die präoperative Chemotherapie sollte dann zur Anwendung kommen, wenn keine Fernmetastasen gefunden werden, sowie keine Peritonealkarzinose besteht und durch eine Tumorreduktion eine R0-Resektion zu erwarten ist. Wenngleich das durch die Chemotherapie bedingte down-staging an sich ein nicht unerhebliches Risiko für den Patienten in sich birgt, ist die Komplikationsrate des darauffolgenden chirurgischen Eingriffs nicht erhöht.

ad 2) Die palliative Resektion ist dann sinnvoll, wenn lokale Resektabilität möglich ist, jedoch Fernmetastasen vorliegen. Es sollte dabei so viel Tumorgewebe wie möglich entfernt werden, die Resektionsgrenzen am Magen (oral und aboral) müssen tumorfrei sein. Ob eine postoperative Chemotherapie bei diesem Patientenkollektiv sinnvoll ist oder nicht, wird derzeit in der Literatur kontroversiell (Trend eher kontra Chemotherapie) diskutiert.

ad 3) Die Therapien der Tumorkomplikationen haben ausschließlich das Ziel, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern, ohne dabei die Tumormasse zu reduzieren. Die beiden häufigsten Komplikationen sind die Blutung sowie die Stenose.

Im Falle einer Blutung ist in jeder Höhe des Magens die Laserkoagulation des Tumors oder endoskopische Verödung mittels Fibrinkleber, Polydocanol oder Adrenalin das Mittel der Wahl. Bei nicht palliativ resezierbaren, blutenden Tumoren (z.B. hohes Alter und/oder schlechter AZ) kann als ultima ratio die Spülung des Magens mit vasokonstriktiven Substanzen (z.B. Por 8®) in Erwägung gezogen werden.

Bei Tumorstenosen in Höhe der Cardia bzw. des oberen Drittels des Magens ist eine Laservaporisation sowie alternativ die endoskopische Implantation eines Tubus angezeigt. Chirurgische Maßnahmen mit dem Ziel der Umgehung einer Cardia-bzw. Corpus-Fundus-Stenose sind höchst risikoreich und sollten unterlassen werden. Bei Tumorstenosen im Corpus bzw. Antrum ist eine Gastroenterostomie sinnvoll.

Für Patienten mit Peritonealkarzinose besteht aus heutiger Sicht keine chirurgische Möglichkeit, ihr Leiden palliativ zu therapieren. Die hypertherme Chemoperfusion sowie die intraperitoneale Applikation von carbonadsorbiertem Mitomycin C sind therapeutische Ansätze, bedürfen jedoch erst breiter klinischer Prüfung.

Zusammenfassung

Insgesamt ist die Problematik der palliativen Behandlung des Magenkarzinoms sehr komplex. Die Entscheidung, welche der Therapiemöglichkeiten angewandt wird, hängt ganz wesentlich von einem exakten präoperativen Staging ab. Nur dieses bewahrt den Operateur vor unliebsamen intraoperativen Überraschungen, die zu ad hoc-Entscheidungen mit uneinschätzbaren Risken für den Patienten führt.Die reinen Palliativmaßnahmen, Chemotherapie nicht einbezogen, haben ausschließlich das Ziel, die Lebensqualität für den Patienten zu verbessern und zielen in keiner Weise auf Verlängerung des Lebens ab. Im Einzelfall ist die chirurgische Maßnahme zu wählen, die mit dem geringsten Operationsrisiko behaftet ist, für den Tumorträger so unbelastend als möglich ist und ihm größtmögliche Lebensqualität verspricht. Welche der verschiedenen Therapiemöglichkeiten angewandt wird, muß vom Chirurgen im Einzelfall individuell unter Bedachtnahme auf das Befinden des Patienten und auf die persönliche Erfahrung mit den unterschiedlichen Techniken getroffen werden.

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