Koordination:
J. Hellan, Wien
Unter Mitarbeit von:
H. Hausmaninger, Salzburg
M. Micksche, Wien
Problemstellung
Bis dato sind keine anerkannten klinischen Studien vorhanden, die eine Lebensverlängerung bzw. meßbare Lebensqualitätsverbesserung beim Mammakarzinom durch alternative/komplimentäre Methoden beweisen.Ein klinischer Nachweis über Wirksamkeit und Unwirksamkeit diverser Alternativmedikamente nach international üblichen Kriterien bzw. eine Dokumentation über Toxizität fehlt. Wenn die Zusammenarbeit mit onkologischen Stationen und onkologisch tätigen Ärzten nicht gesucht wird, besteht die Gefahr des Versäumens palliativer Behandlungschancen, des Nichterkennens tumorbedingter Notfälle wie Hyperkalziämie, drohenden Querschnitts von Tumorprogression etc.
Definition
Die Bezeichnung „Alternativmedizin“ gilt als Sammelbegriff für alle Methoden und Medikamente, deren Wirksamkeit nicht durch kontrollierte Studien oder Versuche bewiesen ist. Zuweilen werden dafür auch andere Bezeichnungen verwendet, wie Naturmedizin, Paramedizin, Biotherapie, komplementäre Medizin oder auch Erfahrungsheilkunde.
Alternative Behandlungsmethoden sind als Krebstherapie offiziell nicht anerkannt. Der Versuch, mit dokumentierten Einzelfällen über Remission oder Heilung bei Mammakarzinom-Patientinnen diese Behandlung „ins bessere Licht“ zu rücken, ist gescheitert. Denn viele befragte, alternativ arbeitende Kollegen wollten oder konnten keine Stellung beziehen. Die Kollegen aber, die schon jahrelang mit Alternativmethoden arbeiten, berichten über die bessere Verträglichkeit bei einer Kombination mit Chemo- oder Strahlentherapie, jedoch nicht über Remission oder Lebensverlängerung (Dr. WERZOWA, OA Dr. SIBER).
Auch der Präsident der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin -Prof. DDr. hc. Alois Stacher -gibt an, daß weder mit Homöopathie noch mit Akupunktur oder anderen Alternativmethoden eine Heilung der Mammakarzinom-Patientinnen oder Remission im metastasierten Stadium zu erreichen ist. Jedoch wird immer wieder von subjektiver Besserung bei zusätzlicher Therapie berichtet.
Verschiedene Umfragen haben gezeigt, daß mehr als die Hälfte aller Krebspatienten zusätzliche Methoden gebrauchen und wollen. Die Ursachen, warum trotz Fortschritten der schulmedizinischen Onkologie alternativmedizinische Methoden in Anspruch genommen werden, sind komplexer Natur: Zum Einen ist für die Öffentlichkeit trotz Fortschritten von Chirurgie, Radiotherapie und medikamentöser Tumortherapie der erhoffte Durchbruch in der Krebsbehandlung nicht eingetreten und es wurde auch von schulmedizinischer Seite versäumt, die tatsächlich erzielten Fortschritte für die Öffentlichkeit transparent zu machen. Daneben ist bei vielen Patienten das Bedürfnis nach aktiver Mitwirkung, aber auch eine oft unbegründete Furcht vor Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie festzustellen. Ein Hauptmotiv ist der Wille und das Bedürfnis des Patienten (bzw. seiner Angehörigen), selbst einen Beitrag zur Gesundung zu leisten.
Die Inkurabilität bei fortgeschrittenem Krankheitsgeschehen und die Aggressivität der bis heute wirksamsten Tumortherapien münden häufig in der Forderung nach vermehrter Zuwendung und den Wunsch nach möglichst natürlicher ganzheitlicher Behandlung. Durch diese ganzheitliche Behandlung fühlt sich der Patient zusätzlich betreut. Schließlich liefern Inhalte und Strukturen der schulmedizinischen onkologischen Patientenversorgung oft Argumente für eine Suche nach Alternativen (zuweilen mangelnde Gesprächsbereitschaft vieler Žrzte, ungenügende Patienteninformation über Diagnostik und Therapie, Behandlungen in kleineren Krankenhäusern oder Abteilungen durch Žrzte ohne entsprechende onkologische Erfahrung und šberwachungsmöglichkeiten etc.).
Äußerst selten steht hinter diesem Wunsch eine Enttäuschung durch die Schulmedizin. Eine Umfrage ergab, daß zwischen der Compliance zu Schulmedizin und dem Gebrauch alternativer Methoden eine positive Correlation besteht -das heißt, die Patienten verstehen die Alternativmedizin nicht als Konkurrenz!
In der Regel erwarten sie keine Heilung, sondern nur eine „Unterstützung“ der schulmedizinischen Behandlung.
Als betreuende Žrzte haben wir das Recht der Patienten auf die Freiheit, ihre eigene Therapie zu wählen, zu akzeptieren und die Verpflichtung, durch Aufklärung dem auch Rechnung zu tragen.
Um dies auch tatsächlich tun zu können, ist daher zu fordern, daß auch die nicht schulmedizinischen Zusatzmethoden durch randomisierte Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Sobald sie zu einer reproduzierbaren Verbesserung der Lebensqualität führen, ist ihre Anwendung als gerechtfertigt anzusehen.
So sind unter anderem die bis jetzt durchgeführten Studien bezüglich Misteltherapie wegen diverser Mängel (retrograde Analysen, Fehlen der bekannten prognostischen Parameter) nicht anerkannt. 1)
Weiters ist bis dato weder bekannt noch dokumentiert, daß alternative Methoden als Monotherapie (alleinige Therapie) beim metastasierten Mammakarzinom zu Remission bzw. zu Heilung geführt hätten. Es gibt lediglich Hinweise, daß die Kombinationsbehandlung Mistel mit Chemo- und Strahlentherapie beim fortgeschrittenen Mammakarzinom vielleicht die šberlebenszeit beeinflussen kann. 2)
Nach Aussage aller befragten alternativ arbeitenden Kollegen führt eine Kombinationsbehandlung mit nicht schulmedizinischen Methoden zu den üblichen onkologischen Therapien zu einer Verbesserung der Lebensqualität. Das subjektive Wohlbefinden des Patienten bessere sich, ein Eindruck allerdings, der leider statistisch nicht bewiesen, sondern nur ärztlich erfahren werden kann, zumal eine globale Messung der Lebensqualität nicht möglich ist.
Tabelle 1: Alternative Behandlungsmethoden
- Mistelpräparate
- Spurenelemente: Selen, Zink, Magnesium, Kalium, Eisen, etc.
- Enzympräparate: Wobenzym, Wobe Mugos
- Organpräparate: Faktor AF2, Vitorgan, Neytumarin, Polyerga, Thymusextrakte
- Homöopathika: Heel-Präparate, Regenaplex etc.
- Vitamine
- Varia: Toxine, etc.
Eine Messung von Einzel- oder Gruppenqualitäten der Lebensqualität kannn jedoch genauso praktikabel, nützlich und informativ sein, wie andere qualitative Messungen in der Medizin auch.
Die Scheingenauigkeit der Ergebnisse ist ja nichts ungewöhnliches in der Medizin. Leider ist auch dies bis jetzt bei keiner der Zusatztherapien geschehen.
Um den Nutzen und die Risken alternativer Krebsbehandlung sicher abzuschätzen, sollte die Prüfung der Wirksamkeit dieser Präparate und die Dokumentation möglicher Nebenwirkungen so erfolgen, wie dies für Medikamente allgemein verpflichtend ist, denn nur mit mehr Information ist eine zuverlässige, seriöse Aussage möglich.
Ob alternative Begleitmaßnahmen in der Palliation wirklich eine Besserung der Lebensqualität oder Lebensverlängerung bringen, ist äußerst schwierig zu beurteilen, da die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten miteinander häufig kombiniert eingesetzt werden. Indirekt erfolgt Beurteilung derselben durch die Therapieabbrecher. Daher sollten diese auch dokumentiert werden.
An erster Stelle der in der Krebsbehandlung eingesetzten alternativen Methoden stehen Ernährungsempfehlungen und Medikamente pflanzlicher Herkunft (Mistelpräparate) sowie Präparate aus Organ- bzw. Organbestandteilen (Faktor AF2). Ferner gibt es Enzyme, chemisch definierte Stoffe wie Selen etc., Homöopathika, Vitamine und auch Präparate, die nicht einzuordnen sind.
Neben diesen medikamentösen Behandlungsmethoden gibt es noch künstlerische Therapien, diverse psychologische Verfahren und vieles mehr.
Keine dieser Methoden ist in randomisierten Studien dokumentiert und sie werden daher auch nicht anerkannt.
Tabelle 2: Gefahren alternativer Heilmethoden
- Versäumen kurativer Chancen bei potentiell heilbaren Tumoren,
- Versäumen mittelfristiger palliativer Behandlungschancen und sinnvoller Lebensverl<132>ngerung,
- Nichterkennen objektiver Tumorprogredienz
- Nichterkennen tumorbedingter Notfälle (Querschnitt, Hypercalcämiesyndrom usw.),
- Kosten
Als Indikationen und Zielsetzung für „Medikamente mit fraglicher Wirksamkeit“ werden höhere Heilungsraten nach Krebsoperationen (adjuvante Therapien) sowohl zytostatische und immunstimulierende Wirkungen bei fortgeschrittenen Erkrankungen (Lebensverlängerung), eine Verbesserung der Lebensqualität der behandelten Patienten, sowie bessere Toleranz einer Chemo- oder Strahlentherapie bezeichnet.
Im Gegensatz zur Vorgangsweise bei Neueinführung von Medikamenten in der wissenschaftsorientierten Medizin existieren für die meisten der oben angeführten Präparate keine Angaben zu Pharmakodynamik, Pharmakokynetik, akuter und chronischer Toxizität und vor allem der Nachweis einer objektivierbaren Wirksamkeit -mit Ausnahme der Mistelpräparate!
Wenn nun aber der Patient in seiner Hilflosigkeit und in seiner Angst alternative Begleitmaßnahmen wünscht, dann liegt es in der Hand des begleitenden und betreuenden Arztes, ihn mit orientierenden Informationen individuell aufzuklären. Durch diese Aufklärung verhindert er, daß irreale und falsche Hoffnungen erweckt werden und daß der Patient durch fragliche Behandlungsmethoden noch unzumutbar finanziell belastet wird.
Manchmal jedoch kann durch eine sinnvolle Begleittherapie eine zusätzliche Hilfe angeboten werden, denn nach einem Zitat von HIPPOKRATES „müssen Žrzte nicht nur selbst das Nötige tun, sondern der Patient, die Seinigen und die äußeren Umstände müssen mithelfen“.
Literatur:
1) J. HELLAN, G. Salzer, F. Wutzlhofer: Das operierte Mammacarcinom -Retrospektive Auswertung. Jungi/Senn (Hrsg.): Krebs und Alternativmedizin II, Springer Verlag
2) J. GUTSCH, H. Berger, G. Scholz, H. Denck: Prospektive Studie beim radikal operierten Mammakarzinom mit Polychemotherapie, Helixor und unbehandelter Kontrolle. Deutsche Zeitschrift für Onkologie 4/1988
3) S. P. HAUSER: Unproven Methods in Oncology. Eur. J. Cancer 27, 1549-1551 (1991)
Zusammenfassung
Die Zuwendung des Patienten zu Alternativmethoden beruht nicht auf einem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, sondern auf dem Wunsch des Patienten, selbst zur Besserung beizutragen. Die Alternativtherapie kann durch Forschung im experimentellen und klinischen Bereich besser beurteilt werden. Eine generelle Empfehlung kann jedoch nicht gegeben werden, da der Beweis einer Lebensverlängerung bisher nicht gelungen ist und die Verbesserung der Lebensqualität nur subjektiv empfunden wird. Es zeigt sich, daß in Hinkunft vermehrt in leicht verständlicher Form erreichte Behandlungsfortschritte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten, und daß ein Ausbau der bestehenden onkologischen Versorgungseinrichtungen zu echten Tumorzentren und die Entwicklung von onkologischen Funktionsmodellen unter Einbeziehung der praktizierenden Ärzteschaft dringend geboten erscheint.