Koordination:
D. Manfreda, Klagenfurt
Unter Mitarbeit von:
A. Haid, Feldkirch
E. Kubista, Wien
Ch. Marth, Innsbruck
Ch. Menzel, Salzburg
L. Müller, Innsbruck
P. Steindorfer, Graz
Problemstellung
Nach wie vor werden Mammakarzinome bei symptomatischen Patienten entweder nicht erkannt oder trotz Vorliegen suspekter Befunde lediglich kontrolliert. Aufgrund der hohen und steigenden Mammakarzinominzidenz stellt die rechtzeitige Diagnose ein nicht unerhebliches qualitatives und quantitatives Problem für die zahlreichen darin involvierten Fächer dar.
Ziel
Keine Verschleppung eines Mammakarzinoms durch den Arzt! Konkrete und klare Richtlinien für die Indikationsstellung zur Operation sollen (ganz im Sinne der ACO-Zielsetzungen) ein einheitliches Vorgehen in ganz Österreich bewirken und dem Nicht-Spezialisten eine wertvolle Hilfestellung bieten. Zweifelsfälle sollten immer durch einen mammachirurgisch erfahrenen Operateur beurteilt werden.
Vorbemerkungen
Die enorm hohe Zahl an Brustkrebserkrankungen auch in Österreich zwingt uns, beim geringsten Verdacht auf ein Mammakarzinom alles zu unternehmen, um die Diagnose zu sichern oder einen Tumor auszuschließen. Dies indiziert den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich histologischer Abklärung, falls mit weniger keine eindeutige Aussage getroffen werden kann. Es schließt auch ein, daß Patienten an kompetente Stellen weitergeschickt werden sollten, wenn die eigene Erfahrung in der Mammadiagnostik für den speziellen Fall zu gering ist. Die Indikation zum operativen Eingriff sollte im Zweifel unbedingt immer vom Operateur gestellt werden, da der reine Diagnostiker kaum alle Kriterien überblicken kann, die für die Entscheidung zur Operation und für die Wahl des optimalen Operationszeitpunktes relevant sind (wie Kontraindikationen für eine Operation, präoperative systemische Therapie etc.). Es wäre sowohl im Interesse der Diagnostiker wie auch der Patienten wünschenswert, wenn ein Patient bei suspektem oder unklarem Befund „zur weiteren Abklärung“ an den Operateur verwiesen wird, ohne daß eine Operation als „sofort dringend nötig“ oder „nicht erforderlich“ deklariert wird.
Mammadiagnostik bei symptomatischen Patienten
1) Relevante klinische Symptome:
- tastbarer Knoten (Mamma oder Axilla)
- Hauteinziehung an der Brust oder Plateauzeichen (šberprüfung mit elevierten Armen!)
- Hautvorwölbung an der Brust
- Hautverdickung (wenn umschrieben)
- Hautulcus
- Asymmetrie der Mammae (wenn außerhalb der Pubertät)
- Orangenhaut (Hautödem)
- Schmerzen (regelunabhängig, einseitig)
- Entzündung der Brust außerhalb einer Laktation (Rötung, Ödem)
- Mamilleneinziehung (Ausnahme: Hohlwarze)
- Mamillensekretion
- Mamillen-„ekzem“
2) Routinediagnostik bei symptomatischen Patienten:
- Klinisch-physikalische Untersuchung (Inspektion, Palpation)
- Sonographie
- Mammographie in 3 Ebenen bds. (bei Frauen unter 30a nur in ausgewählten Fällen: z.B. wenn die übrige Diagnostik nicht ausreichend erscheint oder bei Hochrisikopatienten)
- Punktionszytologie, -histologie (in ausgewählten Fällen)
- Galaktographie und Sekretzytologie (nur bei suspekter Sekretion)
- MRI bei Problemfällen
Indikation zur diagnostischen Mammaoperation
1) Absolute OP-Indikationen:
Bei einem nicht tastbaren suspekten Befund muß präoperativ eine genaue Lokalisation mittels Sonographie -wenn sonographisch darstellbar -oder Mammographie erfolgen (am bewährtesten: Markierung mittels Widerhakendraht oder Farbstoffmarkierung).
a) jeder malignitätsverdächtige Befund (egal welcher Größe, egal ob tastbar oder nicht, egal ob klinisch, sonographisch, röntgenologisch und/oder zytologisch verdächtig)
Beispiele:
- suspekter Herd
- Zyste mit Verdacht auf intrazystischen Tumor (nicht punktieren!)
- suspekte Hautreaktion
- Hautulcus
- Mamillenekzem, das nicht binnen 4 Wochen auf lege-artis-Therapie abheilt
- suspekte Mikroverkalkungen in der Mammographie (müssen lokalisierbar sein!)
- suspekte Galaktographie
- suspekte Sekretion, wenn Galaktographie nicht möglich (z.B. bei Hohlwarze), oder wenn zusätzlich verdächtige Zytologie
- therapieresistente Inflammation
- suspekter axill. Lymphknoten bei unauffälliger Brust
b) jeder gutartig erscheinende, solide Herd über 1 cm Größe (egal ob tastbar oder nicht).
Ausnahmen:
- retrograd unveränderte Größe über mindestens 1/2 Jahr nachweisbar (siehe relative Op.-Indikation)!
- klinischer, mammographischer und sonographischer Verdacht auf ein Lipom
- mammographisch teilverkalktes Fibroadenom
- nicht tastbarer „benigner“ Herd bei Frauen << 25 a
c) jeder gutartig erscheinende, solide Herd unter 1 cm Größe:
- wenn tastbar
- wenn nicht tastbar und Wachstumstendenz nachgewiesen wurde (Vergleich mit Vorbildern)
2) Relative OP-Indikationen:
a) ein gutartig erscheinender, solider Herd unter 1 cm Größe (Erstdiagnose), wenn nicht tastbar (z.B. bei Wunsch der Patientin, bei positiver Familienanamnese, etc.)
b) ein gutartig erscheinender, solider Herd jeder Größe (egal ob tastbar oder nicht), wenn anamnestisch keine Wachstumstendenz während mindestens 6 Monaten nachweisbar (Vorbilder bei nicht tastbaren Herden!)
c) radiologisches Risikomuster: prominenter Ductus, Dysplasie, Asymmetrie etc.
d) alle Ausnahmen von der absoluten Op.-Indikation: z.B. Lipom, nicht tastbarer unverdächtiger Erstbefund bei Frauen unter 25 a
Zusammenfassung
Detaillierte Auflistung der absoluten und relativen Operations-Indikationen bei Veränderungen der weiblichen Brust als Entscheidungshilfe für Diagnostiker und Operateure:
Absolut:
- jeder malignitätsverdächtige Befund
- jeder „gutartige“ tastbare, solide Knoten (Ausnahme: Lipome)
- jeder „gutartige“ nicht tastbare, solide Herd > 1 cm Größe
- jeder „gutartige“ nicht tastbare , solide Herd < 1 cm Größe mit Wachstumstendenz
Relativ:
- „gutartiger“, nicht tastbarer , solider Herde < 1 cm Größe
- „gutartiger“, anamnestisch nicht wachsender, solider Herd
- radiologisches Risikomuster (bes. bei zusätzlichen Risikofaktoren)
- alle Ausnahmen von der absoluten Indikation (z.B. Lipom)