Koordination:
A. Reiner, Wien
Unter Mitarbeit von:
H. Denk, Graz
M. Gnat, Wien
M. Klimpfinger, Graz
E. Müller-Holzner, Innsbruck
W. Sega, Linz
Problemstellung
Der Pathologe erfüllt eine Reihe unersetzbarer Aufgaben in der Diagnostik des Mammakarzinoms. Durch die während der Operation durchgeführte Schnellschnittdiagnose wird dem Chirurgen eine wesentliche Entscheidungshilfe für des weitere Vorgehen geboten. Dadurch kann bei 95 Prozent der Mammaoperationen die endgültige Operation in einem Eingriff erfolgen. Außerdem trägt die histologische Diagnostik wesentlich zur Qualitätskontrolle der Behandlung von Brusttumoren bei. Trotz der zentralen Rolle der technisch aufwendigen histologischen Diagnostik , die aus einer modernen Tumorchirurgie nicht wegzudenken ist, erfolgt die Honorierung durch die Krankenkassen in Österreich nicht kostendeckend. Essentielle Teile der patholohistologischen Diagnostik, insbesondere die intraoperative Schnellschnittdiagnostik, werden derzeit gar nicht honoriert.
Ziel
Das wesentliche Ziel in der pathohistologischen Diagnostik von Mammatumoren ist eine für die Patientinnen effektive Qualitätskontrolle. Da Diagnostik und Therapie von Mammatumoren multidisziplinär durch Radiologen, Intern. Onkologen, Gynäkologen und Strahlentherapeuten erfolgt, muß auch der Pathologe in dieses Team integriert werden, um falsche Befunde zu vermeiden.
Einleitung
Die wesentlichsten Aufgaben der Pathologie beim Mammakarzinom sind die Verifizierung der klinischen Diagnose durch mikroskopische Verfahren, die Bestimmung des pathologischen Tumorstadiums und die Erstellung von prognostischen Parametern.
Zur pathologischen Diagnostik eines tast-, nichttastbaren Knotens/Verdachtsbefundes in der Brustdrüse gehört die intraoperative Schnellschnittuntersuchung mit der Erstellung einer vorläufigen Diagnose hinsichtlich des biologischen Verhaltens des Tumors und eine nachfolgende histologische Untersuchung an Paraffinschnitten mit Erstellung der definitiven Diagnose.
Histologische Diagnostik
Die histologische Diagnostik des Mammakarzinoms beinhaltet die histologische Beurteilung des Tumors, den Nachweis bzw. Ausschluß multizentrischer Tumorherde, die Beurteilung des Mammaparenchyms und der axillären Lymphknoten, sowie bei brusterhaltenden Operationen die Beurteilung der Resektionsränder.
Das histologische Bild von Mammakarzinomen hat eine große Variationsbreite. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl verschiedener Klassifikationen. Alle Klassifikationen beinhalten als wichtigste und häufigste Tumortypen das duktale und lobuläre Karzinom. Invasiv duktale Karzinome NOS (not otherwise specified) stellen mit 70 % den häufigsten Tumortyp dar. In 10 bis 20 % kommen invasiv lobuläre Karzinome vor. Spezielle histologische Tumortypen sind seltener. Ihre Unterscheidung vom invasiv duktalen Karzinom ist jedoch wichtig, da sie meist eine bessere Prognose haben. Tubuläre und muzinöse Karzinome haben die beste Prognose, auch medulläre und lobuläre Karzinome sollen eine etwas bessere Prognose haben.
In situ Karzinome sind von invasiven Karzinomen zu trennen. Auch hier werden lobuläre und duktale in situ Karzinome unterschieden. Das duktale Carcinoma in situ (DCIS) ist als Karzinom zu werten. Das DCIS kann Tumorgrößen von über 5 cm erreichen. Vor allem bei großen DCIS ist das Risiko eines Lokalrezidivs nach brusterhaltender Therapie gesteigert. Es sollte daher in diesen Fällen eine Mastektomie in Erwägung gezogen werden. Bei DCIS können in einem geringen Prozentsatz (5%) auch axilläre Lymphknotenmetastasen bestehen. Das Carcinoma lobulare in situ (CLIS) ist lediglich eine Präkanzerose. Es sind daher bei einem Carcinoma lobulare in situ lediglich genaue klinische Kontrolluntersuchungen angezeigt. Beim Carcinoma lobulare in situ ist das Risiko, ein invasives Karzinom zu entwickeln, 10 bis 11 mal größer als in einer altersentsprechenden Vergleichspopulation. Das Karzinomrisiko besteht hier gleich häufig für die ipsilaterale und kontralaterale Brustdrüse. Das Intervall bis zur Entwicklung eines invasiven Karzinoms ist sehr unterschiedlich und kann sich von wenigen Jahren bis zu mehr als 20 Jahren erstrecken.
In Situ Carcinome
Das duktale Carcinoma in situ (DCIS) ist biologisch ein Karzinom.
Das Carcinoma lobulare in situ (CLIS) ist eine Präkanzerose.
Tumorstaging
Die Angabe des pathologischen Tumorstadiums stellt ein Maß für die Tumorausdehnung dar. Mammakarzinome werden nach dem TNM-Staging der UICC klassifiziert. Als wesentliche Grenzwerte für das pathologische Tumorstaging gelten Tumorgrößen von 2 und 5 cm. Für das Staging der axillären Lymphknoten wird berücksichtigt, ob die Lymphknoten tumorfrei sind oder ob sich Mikro- oder Makrometastasen finden. Außerdem wird beim Lymphknotenstaging die Zahl der Lymphknotenmetastasen erfaßt (siehe Kapitel 5).
Prognosefaktoren
Als wichtigste etablierte Prognosefaktoren gelten beim Mammakarzinom der axilläre Lymphknotenstatus, das histologische Tumorgrading und der Steroidhormonrezeptorbefund. Der Status der axillären Lymphknoten ist der wichtigste prognostische Faktor. Bei ca. 50 % der Patientinnen bestehen bei der Primärdiagnose axilläre Lymphknotenmetastasen. Das Auftreten axillärer Lymphknotenmetastasen geht einher mit einer schlechteren Prognose. Eine zunehmende Anzahl von axillären Lymphknotenmetastasen ist mit einer zunehmend schlechteren Prognose assoziiert. Entsprechend der Prognose können die Patientinnen in drei Gruppen eingeteilt werden: negative axilläre Lymphknoten, 1-3 positive axilläre Lymphknoten, 4 und mehr positive axilläre Lymphknoten. Das Auftreten von Mikrometastasen (< als 2 mm im Durchmesser) scheint von untergeordneter prognostischer Bedeutung zu sein.
Prognose bei verschiedenen histologischen Typen des Mammakarzinoms
5-Jahresüberleben
Invasiv duktale Karzinome NOS: 60 %
Tubuläre und muzinöse Karzinome: 90-95 %
Lobuläre und medulläre Karzinome: 70-80 %
Histologisches Tumorgrading
Das histologische Tumorgrading geht auf Bloom und Richardson zurück und wird auch von der WHO empfohlen. Kriterien, die dabei berücksichtigt werden, sind der Anaplasiegrad der Tumorzellkerne, die Mitosefrequenz und die tubuläre Differenzierung des Tumorgewebes. Es werden drei Tumorgrade unterschieden. Grad I entspricht hoher Differenzierung, Grad II mittlerer Differenzierung und Grad III niedriger Differenzierung. Das histologische Tumorgrading wird für duktale Karzinome NOS angegeben. Ca. jeweils 25 % dieser Karzinome entsprechen Tumoren Grad I bzw. Grad III und ca. 50 % der Tumoren sind Tumoren Grad II. Hoch differenzierte Karzinome haben eine signifikant bessere Prognose als mittelgradig bzw. niedrig differenzierte Karzinome. Das gilt für das Gesamtüberleben und auch für das rezidivfreie Intervall.
Histologische Klassifikation
- Intraduktales Karzinom (duktales Ca in situ/DCIS)
- Invasives duktales Karzinom mit überwiegend intraduktalem Anteil
- Invasives duktales Karzinom NOS
- Invasives lobuläres Karzinom
- Muzinöses Karzinom
- Medulläres Karzinom mit lymphoidem Stroma
- Invasives papilläres Karzinom
- Invasives kribriformes Karzinom
- Tubuläres Karzinom
- Adenoid-zystisches Karzinom
- Sekretorisches (juveniles) Karzinom
- Apokrines Karzinom
- Karzinom mit Metaplasie
- Andere
- PAGET’sche Erkrankung der Mamilla
a) Isoliert
b) Mit intraduktalem Karzinom
c) Mit invasivem duktalem Karzinom
Steroidhormonrezeptoren
Für das Mammakarzinom sind der Östrogen- und Progesteronrezeptor wichtig. Für ihre Bestimmung stehen die biochemische und die immunhistochemische Methode zur Verfügung. Die biochemische Methode erfolgt mit der Dextran Coated Charcoal Methode (DCC). Die immunhistochemische Methode erfolgt mit dem ER-ICA bzw. PRICA. Bei der DCC-Methode gelten Werte von mindestens 10 fmol/mg Protein als positiv. Der Cut-offwert für die ER-ICA bzw. PRICA-Methode liegt bei 10 % rezeptorpositiven Tumorzellen. Die ER-ICA- und PRICA-Methode ist eine semiquantitative Bestimmungsmethode. Das Ergebnis wird als rezeptornegativ bzw. als schwach, mittel- oder hochgradig positiv angegeben. Ca. 70 % der Mammakarzinome sind östrogenrezeptorpositiv und 30 % östrogenrezeptornegativ. Hinsichtlich des Progesteronrezeptorstatus sind 40-50 % der Karzinome progesteronrezeptorpositiv bzw. 50-60 % progesteronrezeptornegativ. Ein positiver Rezeptorbefund sowohl hinsichtlich Östrogen- als auch Progesteronrezeptor ist mit einer besseren Prognose verbunden. Dies gilt sowohl für das Gesamtüberleben als auch für das rezidivfreie Intervall. Außerdem ist bei einem positiven Rezeptorbefund die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine endokrine Therapie höher. Patientinnen mit positivem Steroidhormonrezeptorbefund sprechen mit größerer Wahrscheinlichkeit auf eine endokrine Therapie an.
Qualitätskontrolle in der pathologischen Diagnostik
Im Rahmen der histologischen Diagnostik ist Qualitätskontrolle für die Technik der Verarbeitung des Gewebes und für die mikroskopische Interpretation anzuwenden. Diagnostik und Therapie von Mammatumoren erfolgen multidisziplinär. Daher muß der Pathologe in dieses Team integriert werden. Ziel ist, vor allem im Rahmen der in der Mammachirurgie unerläßlichen Gefrierschnittuntersuchung, falsche Befunde zu vermeiden.
Zusammenfassung
Diagnostik und Therapie von Mammatumoren müssen einer effektiven Qualitätskontrolle unterzogen werden. Der Pathologe muß in das klinische Team integriert werden, um die diagnostische Sicherheit zu optimieren. Zentrale Aufgaben sind die intraoperative Schnellschnittdiagnose, die dem Chirurgen als wesentliche Entscheidungshilfe für das operative Vorgehen dient, und die Erstellung der definitiven Diagnose im Paraffinschnitt. Zusätzlich werden vom Pathologen wesentliche prognostische Parameter bestimmt.